Streitbarer Stürmian

Wir, mein Mitarbeiter Vorderbrandner und ich, sind ein kleines Schreibbüro, das sich aber einträglichen Einnahmequellen nicht verschließen will. Ich habe deshalb Vorderbrandner zur Fußball-Europameisterschaft nach Frankreich geschickt, um dort ein Gespräch mit dem deutschen Nationalspieler Stürmian Beinschweiger zu führen.

Ich hatte Vorderbrandner eindringlich gebeten, seine Sprachverliebtheit hintanzustellen, denn es ginge um Fußball und nicht um Sprache, aber Beinschweiger führte ihn mit eloquenter Wortwahl auf Irrwege:

Vorderbrandner: Stürmian Beinschweiger, heute, kurz vor Ihrem 120. Länderspiel für Deutschland…

Beinschweiger: Ich bestreite es.

Vorderbrandner: Das Spiel oder dass Sie es bestreiten?

Beinschweiger: Wie? Ja, ich bestreite es.

Vorderbrandner: Sie bestreiten also das Spiel, und Sie bestreiten, dass Sie es bestreiten.

Beinschweiger: Mir scheint, Sie wollen einen Streit vom Zaun brechen!

Vorderbrandner: Nein, da verstehen Sie mich falsch. Ich bestreite aufs Eindeutigste, dass ich einen Streit mit Ihnen vom Zaun brechen will, jedoch würde mich interessieren, wie Sie Ihre Rolle sehen in diesem Ihrem mutmaßlich bevorstehenden 120. Länderspiel für Deutschland, dass Sie, wie ich nach wie vor annehme, bestreiten werden, ohne dies zu bestreiten?

Beinschweiger: Was ist das für eine Frage? Das ist doch ein Widerspruch: Wie kann ich ein Spiel bestreiten, ohne es zu bestreiten?

Vorderbrandner: Nun, das ist wiederum eine Frage, die Sie aufgeworfen haben, und ich fürchte, wir werden diesen Widerspruch nicht so schnell auflösen können, da uns die deutsche Sprache, die Sprache dieses Landes, für das Sie in Kürze Ihr 120. Länderspiel bestreiten werden, eine Falle gestellt hat, in der wir, wie es scheint, gefangen sind. Im übrigen sagte ich aber nicht, dass Sie ein Spiel bestreiten, ohne es zu bestreiten, sondern dass Sie ein Spiel bestreiten, ohne dies zu bestreiten.

Beinschweiger: Wollen Sie mich nun etwas fragen oder nicht?

Vorderbrandner: Nach unserem bisherigen Gespräch liegt es mir auf der Zunge zu sagen, dass ich es natürlich nicht bestreite, Sie etwas fragen zu wollen, jedoch sollten Sie dazu die Bereitschaft zeigen, etwas antworten zu wollen, ohne uns in sprachliche Widersprüche zu verwickeln, die ein klar festgelegtes Frage-Antwort-Schema nicht zulassen.

Beinschweiger: Hören Sie, ich habe keine Lust, mit Ihnen zu streiten. Stellen Sie anständige Fragen, die ich beantworten kann, oder ich breche das Gespräch ab!

Vorderbrandner: Streiten und bestreiten, unser Gespräch scheint zwischen diesen Polen zu pendeln. In jedem Fall wünsche ich Ihnen alles Gute für Ihr 120. Länderspiel für Deutschland, das Sie, wie ich hoffe, verletzungsfrei bestreiten werden. Ich danke Ihnen für das Gespräch!

Bestreiten

Sommermärchen, immer wieder

Deutschland ist seit 2006, seit der Fußballweltmeisterschaft im eigenen Land, ein Sommermärchenland. Da wurde gefeiert und Fahnen wurden geschwenkt. Eine Selbstberauschung historischen Ausmaßes.

Ich bin vernarrt in den Fußball, in seine Athletik, in seine Taktik. In seine Einfachheit, in seine Komplexität. Ich liebe dieses Spiel.

Als der letzte Elfmeter geschossen war, zogen sie laut und grölend durch die Straßen und betranken sich noch mehr, als sie ohnehin schon waren. Eine Selbstberauschung historischen Ausmaßes. Sind wir im Krieg gegen andere Nationen, oder war es nur ein Fußballspiel?

Ich habe gelesen: In Frankreich, der Grand Nation, also der Nation der Nationen überhaupt, zumindest laut Selbstdefinition, gehen sie ins Bistro und schauen sich ein Fußballspiel an, ohne grölend die Fahnen zu schwenken, einfach so. Und danach reden sie miteinander und gehen nachhause. Ja, geht denn das? fragt da der Deutsche. Wo bleibt denn da das Sommermärchen? Und zieht fassungslos weiter, mit einer Flasche Bier in der Hand.

Ich brauche den Fußball, aber brauche ich dazu die National-Mannschaften? Ich habe gelesen: Patriotismus ist, wenn man sein Land liebt. Nationalismus ist, wenn man die anderen Länder hasst. In Tagen des Brexit, des Aufschwungs der Rechtspopulisten, löst der Begriff der Nation bei mir Angst aus. Angst vor Abgrenzung und Isolation.

Müssen jetzt auch noch die National-Mannschaften gegeneinander spielen? – Beruhige dich, Emil: Es ist alles nur Fußball, sagt eine innere Stimme zu mir. Na denn: Prost Sommermärchen!

BRD gegen UdSSR 1972

Entwurf von Regeln für das Durchschreiten von Parkanlagen

Oskar, ein Hagestolz noch nicht zu alten Datums, ist von der tiefen Überzeugung durchdrungen, dass Regeln dazu da sind, eingehalten zu werden. Die Welt ist ein wohlgeordnetes Universum, das mathematischen Gesetzmäßigkeiten gehorcht. Wenn diese noch nicht ausreichend erforscht und durchdrungen sind, gilt es, sich mit Verhaltensregeln zu behelfen, um der wohlgeordneten Ordnung der Welt nicht im Wege zu stehen. Dies ist, grob umrissen, Oskars Postulat für eine wohlgeordnete Welt.

Um seinem Kopf ein wenig Erholung von seiner Studierstube zu geben, war Oskar in den Park gegangen. Dort fand er, am Beginn eines neu angelegten Weges, folgendes Schild vor:

Schrittgeschwindigkeit

Zweifellos handelt es sich hier um eine Verhaltensanweisung, die Oskar nun, gemäß seines Postulats einer wohlgeordneten Welt, gewillt war zu befolgen. Doch er sah sich mit einer großen Schwierigkeit konfrontiert, was die Befolgung der Verhaltensanweisung betrifft: Was ist Schrittgeschwindigkeit, wie definiert sie sich? Die Menschen gehen unterschiedlichen Schrittes: schleichenden Schrittes, laufenden Schrittes, zum Beispiel. Überhaupt bietet Sprache hier keinen Anhaltspunkt. Denn würde auf dem Schild spezifiziert stehen Schleichende Schrittgeschwindigkeit, so böte das wieder unendliche Interpretationsmöglichkeiten. Was für den einen ein Schleichen ist, ist für den anderen bereits rasende Geschwindigkeit. Es würde einzig und allein eine präzise mathematische Angabe helfen, mit welcher Geschwindigkeit man den Weg zu durchschreiten habe, wobei man hier wieder einen präzisen Geschwindigkeitsmesser bei sich haben müsste, um sicher zu gehen, den Weg nicht mit zu niedriger oder zu hoher Geschwindigkeit zu durchschreiten. Kann man der Bevölkerung zumuten, sich für ihre Parkspaziergänge einen Geschwindigkeitsmesser zu besorgen, um die Wege mit der vorgegebenen Schrittgeschwindigkeit zu durchschreiten?

Oskar fühlte sich im Stich gelassen. Was soll diese unpräzise Verhaltensanweisung auf dem Schild vor ihm, die er sich unfähig fühlte zu befolgen! Kurz überlegte er, ob er den Weg laufenden Schritts durchschreiten sollte, um so die Zeit zu vermindern, in der er einer externen Beobachtung einer eventuellen Regelwidrigkeit ausgesetzt war. Er streckte seinen Hals und schaute kurz den Weg entlang, für den die unpräzise Verhaltensanweisung galt. Er konnte kein Ende der Verhaltensanweisung erspähen. Also unterließ er es, den Weg laufenden Schrittes zu durchschreiten, da ihn die Vorstellung zu sehr beunruhigte, eine langandauernde eventuelle Regelwidrigkeit zu begehen. Es bestünde dann ein erhöhtes Risiko, dass ihn ein externes Regelorgan wie etwa ein Polizist dabei ertappte. Es würde schwierig sein, diesem sein Verhalten zu erklären, da er ja nicht einmal für sich hinreichend würde falsifizieren können, keine Regelwidrigkeit begangen zu haben.

Oskar machte kehrt und ging nachhause. Zuhause setzte er sich sogleich an seinen Schreibtisch und begann einen Aufsatz zu schreiben mit dem Titel: Entwurf von Regeln für das Durchschreiten von Parkanlagen.

Walentin Worderbrandner

Ich kam zur Tür herein und Vorderbrandner schaute mich missmutig an. Er sagte: „Ich zweifle an der Sprache – an ihrer Fähigkeit, irgendetwas zu sagen.“

„Ich weiß.“

„Was? Du weißt?“

„Heute ist Donnerstag, Redaktionstag, da zweifelst du regelmäßig an der Sprache, weil du etwas Geschriebenes liefern sollst.“

„Das meine ich nicht. Ich meine es wirklich ernst diesmal mit dem Zweifel. Gut dass du Geschriebenes erwähnst: Ich meine nämlich vor allem die geschriebene Sprache, an der ich zweifle. Wie kann etwas Geschriebenes etwas aussagen, wenn es sich durch nichts ausdrücken kann als durch Schrift, durch etwas Totes wie Schrift?“

„Weil du mit deinen Gedanken und deinen Gefühlen hinter dieser Schrift stehst und ihr etwas Lebendiges dadurch gibst.“

„Danke für die Belehrung, Herr Oberlehrer!“

„Du hast Recht. Ich wollte gerade etwas Weises sagen. Meist kommt Wirres dabei heraus. Aber es ist egal. Wichtig ist doch nur, welches Bild in meinem Kopf ist, das ich transportieren will. Ob das Bild, das ich im Kopf habe, beim Leser ankommt, ist eine andere Frage. Es ist als Schreibender bereits ein Riesenerfolg, wenn mein Bild überhaupt gelesen wird und irgendein Bild im Leserkopf kreiert wird.“

„Vielen Dank für das Kurzreferat! Ich betitle es mit: Das Wisuelle.“

„Das gefällt mir, Vorderbrandner: Das Wisuelle. Das ist ein noch viel passender Begriff als Das Bild. Es ist das Ganze: die Gedanken, die Gefühle – ist mir warm, ist mir kalt, bin ich verliebt, bin ich verlassen worden.“

„Das W machts eben – mit V wär es wieder nur ein Bild, das Visuelle.“

„Schön dass dir das W gefällt.“

„Gefallen? Ich arrangiere mich mit deinem W-Tick.“

„Mag sein, dass ich einen W-Tick habe. Aber die Welt hat einen noch viel größeren Tick: einen WWW-Tick. Alles hängt nur noch am Netz. Aber ich muss in der Tat aufpassen mit meinem W-Tick: Erinnerst du dich an Valentina, die mal zu uns stoßen wollte? Die hat es sich dann anders überlegt, als ich ihr mein WWW-Konzept (Weises, Wirres, Wisuelles) erläutert habe, weil sie plötzlich dachte, sie müsste sich fortan Walentina nennen, um mit mir zu arbeiten.“

Weises wirres wisuelles

„Nur deswegen ist sie nicht geblieben?“

„Ich glaube schon. Vielleicht ist es besser. Könnte sein, dass ich wohl nur scharf war auf Walentinas Wagina – oder Valentinas Vagina, das ist mir jetzt einerlei – und nicht auf ihre Schreibkünste.“

„Und sie auf Peters Penis und nicht auf deinen.“

„Vorderbrander, du machst dich! Haben wir deine Zweifel an der Sprache nun ausgeräumt?“

„Ich zweifle, dass ich nicht zweifle.“

„Solange du mir nicht sagst: ‚Ich lebe, dass ich nicht lebe‘, ist alles halb so schlimm. Ich werde dir deine Zweiflereien schon austreiben! An die Arbeit! Und verzeih mir, wenn ich dich ab jetzt manchmal Walentin Worderbrandner nenne!“

Unterwegs nach St. Petersburg

Ich bin wütend und brülle die Frau an: „Setzen Sie sich gefälligst auf Ihren Platz, und kommen Sie nicht mehr auf die Idee, ihn jemandem anzubieten! Niemand will auf Ihrem Platz sitzen! Sie haben das auszuhalten, dass Sie dort sitzen und sonst niemand dort sitzen will! Sie soziale Vergewaltigerin, Sie kümmergenisierter Krüppel!“

Ich sehe mich im Waggon um. Es herrscht Stille und alle sehen mich an. Ich setze mich auf meinen Platz und kann meinen Atem hören. Meine Wutrede hat mich angestrengt. Ich sehe zum Fenster hinaus. Die Landschaft zieht vorüber. Meine Wutrede hat mich durcheinandergebracht. Wo war ich stehen geblieben mit meinen Gedanken? – Die russischen Zaren haben St. Petersburg erbaut und zur Hauptstadt gemacht, um Russland näher an Europa heranzuführen. Was hat die russischen Zaren zu dieser Weltoffenheit getrieben, zu diesem Interesse für Europa, um eine neue Stadt in einer Sumpflandschaft mit Überschwemmungsgefahr zu bauen? Heutzutage will jeder raus aus Europa, zum Beispiel die Briten, und die Russen bauten sich einst eine neue Hauptstadt, um nach Europa zu kommen!

Nach jeder Haltestelle blicke ich auf, zu der Frau hinüber, ich blicke auf, ob jemand eingestiegen ist und sie wieder jemanden nötigt, ihren Platz einzunehmen, um ihr soziales Gewissen zu beruhigen. Bevor ich mich wieder den Gedanken widme, die mir eigentlich wichtig sind, sollte ich erklären, was mich so entzürnt hat an dieser Frau und mich wütend auf sie einbrüllen ließ: Sie ist wohl etwa dreißig Jahre alt und hat durchaus hübsche Anlagen, aber es strahlt eine innere Unzufriedenheit aus ihren Augen, die ihre hübschen Anlagen überlagert. An einer Haltestelle war nun eine andere Frau eingestiegen, vermutlich etwa doppelt so alt wie die eine Frau, die an ihrem Platz sitzt mit der Unzufriedenheit in ihren Augen. Die jüngere Frau erhob sich von ihrem Platz und forderte die ältere Frau auf, ihren Platz einzunehmen. Die ältere Frau verweigerte sich höflich dieser Aufforderung. Die jüngere Frau bot erneut ihren Platz an, worauf die ältere erneut verweigerte. Das ging so weiter, bis die jüngere die ältere unerbittlich anflehte, sie möge doch bitte ihren Platz einnehmen, denn sonst fühle sie sich so schlecht, und das würde sie nicht aushalten. Es war eine Nötigung in ihren Worten, in ihren Gesten, in ihren unzufriedenen Augen, mit der sie die ältere Frau zwingen wollte, ihren Platz einzunehmen. Ich hatte während dieser ganzen Szene versucht, an St. Petersburg zu denken, doch es fiel mir immer schwerer, bis ich schließlich vollkommen von der Szene erfasst wurde und zu meiner Wutrede ansetzte.

Nun herrscht Ruhe im Waggon. Die ältere Frau hat sich etwas entfernt und lehnt an einer durchsichtigen Trennwand. Wo war ich stehen geblieben? Bei den Sumpfgebieten, auf denen St. Petersburg erbaut wurde? Ich weiß es nicht mehr. – In jedem Fall steht da also nun St. Petersburg, auf diesen ehemaligen Sumpfgebieten, immerhin die viertgrößte Stadt Europas. Es scheint ziemlich allein zu stehen in einem Europa, das keiner mehr zu haben scheinen will. Ich versuche, nicht aufzublicken zu der Frau, denn ich merke, dass meine Gedanken kompliziert werden und einige Konzentration erfordern. Wäre da nicht diese Unzufriedenheit in den Augen dieser Frau, ich würde mich nicht wehren können gegen den Impuls, zu ihr aufzublicken und durch ihre Augen ihre hübschen Anlagen zu erspähen. Doch so schaffe ich es, bei meinen Gedanken zu bleiben: Europa und die Nationen. Ist die Nation ein politisch gewollter Begriff, oder ist sie eine menschliche Notwendigkeit? Der Mensch tobt sich aus, und um dieses Austoben zu legitimieren, schafft er die Nation, um gegen andere Nationen Krieg zu führen. Der Feind sucht sich leichter anderswo als in sich selbst. Ist die junge Frau mein Feind?

Nein! Ich will mich nicht ablenken lassen, schon gar nicht von dieser Frau, die mich so wütend gemacht hat mit ihrer sozialen Vergewaltigung. Nein! Stattdessen denke ich: Ich fahre nicht so oft nach St. Petersburg, weil ich denke: Nur wenn ich russisch sprechen kann, verdiene ich es, St. Petersburg zu betreten. Bin ich zu streng zu mir?

Der Zug hält. Die ältere Frau steigt aus. Die jüngere wirft mir einen vorwurfsvollen Blick zu. Ich atme tief durch, weil ich mich schäme für meinen Wutanfall. Wieso machte mich diese Frau so wütend und jetzt so beschämt? Ich spüre neue Wut in mir hochkommen, weil es mir nicht gelingt, ihre hübschen Anlagen wahrzunehmen hinter diesen unzufriedenen Augen.

Agathes Fahrrad und die Sterne hinter ihr

Ich bin froh um Vorderbrandner. Er ist so etwas wie ein Bruder für mich. Ich habe mir als Kind immer einen Bruder gewünscht, am liebsten einen Zwillingsbruder. Und wenn ich an eigene Kinder denke, würde ich am liebsten Zwillinge haben. Ein einzelnes Kind stelle ich mir so einsam vor in seiner Welt. Woher kommt diese Einsamkeit?

Ich gehe mit Vorderbrandner die bevölkerte Straße entlang. Ich bemerke eine gewisse Aufregung bei ihm. Als ich ihn darauf anspreche, sagt er: „Die Welt dreht sich nur um Muschis und Schwänze.“

Was für eine Frau ist jetzt in seinem Kopf? Immer wenn er mit solchen Allgemeinplätzen rausrückt, drückt ihn etwas ganz Bestimmtes. Ich sage: „Du hast Recht. Die Welt dreht sich um Muschis und Schwänze. Ich finde diese Welt eine sehr anregende Welt, auf die ich jeden Tag aufs Neue gierig, neu-gierig bin. Ich habe nichts als Frauen im Kopf. Durch sie küsst mich die Muse, durch sonst nichts.“

Schweigend gehen wir weiter die bevölkerte Straße entlang. Vorderbrandner denkt an eine Frau, da bin ich mir sicher. Ich bin mir außerdem sicher, dass Frauen über das Leben bestimmen. Weil die Männer das nicht glauben wollen, erfinden sie unsinnige Geschichten, um Frauen zu unterdrücken. Und weil die Frauen schon so lange unterdrückt werden, haben viele von ihnen es sich zum Ziel gesetzt, die Männer zu unterdrücken.

Plötzlich bleibt Vorderbrandner vor einem Fahrrad stehen. Es ist ein altes schwarzes Damenfahrrad, mit einer gewissen Patina, aber elegant.

„Das ist ihr Fahrrad“, sagt er. „Das ist Agathes Fahrrad.“

Jetzt ist die Katze also aus dem Sack: Agathe heißt die Frau, um die es geht.

„Das ist das Fahrrad, mit dem sie mit mir durch die Nacht flaniert ist, durch diese laue, sternenklare Nacht letzten Sommer. Ich glaube, das ist ihr Fahrrad – nein, ich bin mir sicher: Das ist ihr Fahrrad! Ich sehe sie darauf sitzen, mit Eleganz, Anmut und Sinnlichkeit, und hinter ihr funkeln die Sterne.“

Vorderbrandner betrachtet das Fahrrad und erlebt noch einmal seine laue Sommernacht mit Agathe. Sein Blick sagt mehr als er jemals beschreiben könnte. In seinen Augen funkeln die Sterne dieser Nacht.

Er redet weiter: „Ich weiß gar nicht, ob ich Agathe noch erkennen würde. Ich habe sie nicht mehr gesehen seit dieser Nacht letzten Sommer. Aber in meinem Kopf ist sie ständig da. Was macht sie mit mir? Bin ich verliebt in diese Nacht, oder bin ich verliebt in Agathe?“

Ich bin gerührt von Vorderbrandners Verliebtheit. Er ist verliebt in dieses Leben, das sich um Muschis und Schwänze dreht. Wir bleiben am Fahrrad stehen, während die Leute an uns vorbeigehen, so als wollten wir diesen Moment der Andacht in die Länge ziehen. Bin ich naiv, wenn ich glaube, dass es in diesem Leben um Liebe und nicht um Macht geht?

Ode an Josefine

Josefine kommt zur Tür herein und sieht mich lächelnd und zufrieden im Sessel sitzen.

„Was strahlst du so?“ fragt sie mich.

„Ich habe herausgefunden, warum die naturwissenschaftlichen Fächer in der Schule so eine Qual für mich waren.“

„Und das versetzt dich in so gute Laune?“

„Ich will es dir erklären. Ich versuche es. Die Verdunstung, zum Beispiel. Da steht: Bei einer Verdunstung geht ein Stoff vom flüssigen in den gasförmigen Zustand über, ohne dabei die Siedetemperatur zu erreichen. Ist das nicht ein Wunder, dass Wasser an der Luft verdunstet? Ich habe weitergelesen über Verdunstung, aber schon bald gab ich auf. Ich bin steckengeblieben bei diesem Wunder, so als würde ich voller Erstaunen beobachten, wie das Wasser aus frisch gewaschener Wäsche an der Leine verdunstet. Und so bin ich immer in den Physik- und Chemiebüchern steckengeblieben, weil ich aus dem Staunen nicht herauskam.“

Ich möchte Josefine noch von der Quelle erzählen, von dem Ort, an dem dauerhaft oder zeitweise Grundwasser auf natürliche Weise an der Geländeoberfläche austritt, und was für ein Wunder das ist, und wie schön es ist, sich am Quellwasser zu waschen und zu erfrischen, doch da geschieht schon das nächste Wunder: Josefine küsst mich leidenschaftlich.

Ich sollte dieses Wunder geschehen lassen, doch bei diesem Kuss, bei diesem oralen Körperkontakt, erwacht der Naturwissenschaftler in mir. Ich sollte in diesem speziellen Fall spezifizieren: der Philematologe.

Wie fühlt sich der Kuss an? Die Grenzen verschwimmen. Wo fange ich an, wo höre ich auf? Wer bin ich überhaupt? Ich weiß es nicht. Ich fühle es. Jeden Tag ist es ein neues Wunder, mich zu erleben, ohne zu wissen, wer ich bin. Ein Herantasten an das Leben, das ist jeder Tag. Dein Betasten meiner Lippen, meiner Haut, meines Körpers, mein Betasten deiner Lippen, deiner Haut, deines Körpers. Ist das nicht ein Wunder?

Ich wollte nichts über Wunder schreiben, weil ich es tunlichst vermeide, über Wunder zu schreiben. Wunder geschehen. Dennoch kann ich es nicht lassen, mit dem Schreiben. Ich weiß einen Ausweg: Ich lasse Musik sprechen. Vielleicht kann sie Wunder besser beschreiben: Ode an Josefine!

Grenzerfahrung II

Teil 2 (Fortsetzung von Teil 1)

Ich stehe da, mit dem Brief in der Hand, und möchte Grübeldinger sagen, wie überrascht ich bin, dass unsere Großväter sich kannten. Doch Grübeldinger redet unbeirrt weiter: Österreich, das ist ein Land aus lauter Stumpfsinnigen, die sich seit fast hundert Jahren mit einem Minderwertigkeitskomplex herumschlagen, weil sie seitdem die Slawen nicht mehr unterdrücken und die Deutschen nicht mehr beherrschen können. Die nicht begreifen, dass die Welt nicht im Gegeneinander, sondern im Miteinander existiert. Eine Zeitlang dachten die Österreicher, die besseren Deutschen zu sein. Seit geraumer Zeit reden sie sich nun ein, gar keine Deutschen mehr zu sein, obwohl die meisten von ihnen deutsch sprechen. Es ist nicht gesund, dauernd vor sich selbst wegzurennen.

Österreich sollte, wenn es schon nicht ein Teil Europas sein will, ein Teil von etwas Größerem sein, ehe es sich selbst ins Verderben reitet. So stumpfsinnig die Österreicher seit fast hundert Jahren sind, so haben sie bisher fast immer davor zurückgeschreckt, einen Stumpfsinnigen zu ihrem Präsidenten zu wählen. Dieser Stumpfsinnige, den sie jetzt beinahe zu ihrem Präsident gewählt haben, versteckt sich hinter einem netten Gesicht. Ich nenne ihn den netten Norbert. Doch ich sehe im Gesicht des netten Norbert eine Fratze der unterdrückten Gefühle, wie überhaupt sie typisch ist in diesem Land, das sich Österreich nennt, diese Fratze der unterdrückten Gefühle, in diesem Land der Fritzls und Priklopils. Vielleicht haben Fritzl und Priklopil dem österreichischen Bedürfnis nach Unterdrückung nachgegeben, indem sie Menschen einsperrten, denn in Österreich sucht man nach Tätern und Opfern, und was früher die Slawen und Juden waren, das sind heute eben kleine Mädchen. Der Österreicher ist seit dem Zweiten Weltkrieg ein Opfer, denn nur als Opfer, so sagten sie ihm, kann Österreich überleben. Ist Österreich ein Volk mit unterdrücktem Täterdrang, weil es offiziell immer Opfer sein muss? Der nette Norbert ist nur jetzt so nett, weil er seine Gefühle unter der Fratze versteckt, sie unterdrückt; doch wenn er an der Macht ist oder glaubt an der Macht zu sein, lässt er seine Maske fallen und lässt seinem Täterdrang freien Lauf und will alle unterdrücken, die ihm in die Quere kommen. Ich will mir gar nicht vorstellen, wer das aller sein kann. Man muss die Österreicher erlösen, bevor sie wirklich einen Stumpfsinnigen wie den netten Norbert zur ihrem Präsidenten wählen. Denn man sollte sich nicht darauf verlassen, dass sie eines Tages nicht wirklich einen Stumpfsinnigen wie den netten Norbert zu ihrem Präsidenten wählen.

Das Größere, von dem Österreich Teil sein kann, kann nicht Europa sein, denn das ist den Stumpfsinnigen zu groß. Vielleicht schwebt den Stumpfsinnigen um den netten Norbert vor, Österreich zu einem Teil von Deutschland zu machen, denn dann könnten die stumpfsinnigen Österreicher wieder mit voller Berechtigung ihrem Minderwertigkeitskomplex frönen, an den sie sich seit nunmehr fast hundert Jahren gewöhnt haben. Sie wären Teil von etwas Größerem, ohne die Slawen zu unterdrücken. Sie könnten sich als bessere Deutsche fühlen, denn Deutschland mit seiner föderalistischen Struktur könnte Österreich zu einem Freistaat erklären. Dieser Titel macht bereits Bayern und Sachsen stolz, obwohl er nichts bedeutet. Dieser Titel würde auch den netten Norbert stolz machen und ihn in seinem Täterdrang einbremsen.

Ich versuchte Grübeldinger zu unterbrechen. Ich wollte ihn fragen, woher dieser Brief kommt, dieser Brief meines Großvaters an seinen Großvater, und als ob er ahnte, dass ich ihn das fragen wollte, drehte er sich zu mir und redete weiter: Ist Wien nicht genauso eine Stadt ohne Land, eine Stadt, die einmal das Zentrum Europas war und jetzt von einem Landstrich umgeben ist, der von lauter Stumpfsinnigen bewohnt wird? Doch was gehen mich die Wiener an. Denn ich sitze in Salzburg, und Salzburg, diese Stadt, zerrieben und missbraucht, ist die Stadt, der ich ausgeliefert bin, ob ich es will oder nicht.

Der Landstrich, den sie heute Rupertiwinkel nennen, war früher ein Teil Salzburgs. Dort bauten sie Getreide an, dort kam das Brot Salzburgs her. Dieser Landstrich gehört seit zweihundert Jahren zu Bayern, während das restliche Salzburg, dieses verkrüppelte Land mit seinen stumpfsinnigen Gebirgstälern, zu Österreich gehört. Was ist das für ein Land, das das Getreide für sein Brot nicht mehr selbst anbauen kann? Salzburg wäre schon gestorben als Stadt ohne Land, hätten Hugo von Hofmannsthal und Max Reinhardt nicht damals eine zentral gelegene Einöde gesucht, in die sie ihre Festspiele pflanzen können. Zentral gelegene Einöde, vielleicht ist das die richtige Definition für Salzburg. In jedem Fall scheinen Hofmannsthal und Reinhardt in Salzburg das gefunden zu haben, was sie gesucht hatten. Diese Festspiele, sagen alle, seien ein Riesenglück für Salzburg, doch ich behaupte, sie sind ein Riesenunglück. Denn seitdem glaubt Salzburg, als Stadt ohne Land leben zu können, zerrieben und missbraucht, zuerst von den Nationalsozialisten, dann von den genusssüchtigen Bonzen aus Wien. Wie kann sich eine Stadt so verlieren in ihrem Größenwahn, ohne einen Grund dafür zu haben? Doch vielleicht ist das ohnehin die Krankheit der Welt, zumindest der westlichen, sich in ihrem Größenwahn zu verlieren. Grenzen und Länder wurden und werden verschoben, als ob keine Menschen darin lebten, Menschen, die mit diesen Verschiebungen zerrieben und missbraucht werden. Der Stadt Salzburg wird ihre Schönheit eingeredet, so aufdringlich, dass sie ganz betäubt ist davon. Wo soll da wahre Schönheit entstehen, wahre Schönheit, die doch immer ein zarter Spross der Schöpfung ist, wenn mit so brachialer Gewalt auf sie eingewirkt wird? Salzburg lebt von diesen Leuten, von den Festspielgästen und Touristen, die angezogen werden von diesen brachialen Reden, und es wird an ihnen sterben. Es verkommt mehr und mehr zu einer hohlen Fassade, und ich, der in dieser Fassade lebt, beobachte dieses Sterben, bis ich mit ihr zugrunde gehe. Die Welt, zumindest unsere westliche, ist maßlos, weil sie sich fürchtet vor dem was ist nach der Maßlosigkeit. Deshalb sucht sie ihr Heil in immer noch größerer Maßlosigkeit. Umso eher wird sie daran sterben.

Grübeldinger hörte zu reden auf. Er blickte eine Weile vor sich hin, so als wolle er Gedanken sammeln, um seine Rede fortzusetzen, doch dann senkte er seinen Blick und starrte auf den Tisch vor ihm. Langsam und wortlos ging ich aus seiner Wohnung, die knarzenden Holztreppen hinunter. Ich hielt den Brief meines Großvaters in der Hand. Ich wollte den Brief loswerden, weil er mich beklemmte. Doch ich hielt ihn fest in der Hand, als ich durch die Gassen der Salzburger Altstadt ging. Dann blieb ich stehen, unter all den Leuten, und blickte nach oben, auf den Himmel. Auf den grenzenlosen Himmel.

Grenzerfahrung I

Teil 1

Natürlich habe ich Grübeldinger wieder besucht, als ich in Salzburg war. So wie ich es immer mache, wenn ich in Salzburg bin: Ich besuche Grübeldinger, um mich nachher zu fragen, wieso ich ihn besucht habe. Grübeldinger hatte mich diesmal gebeten, ihn zu besuchen, was ungewöhnlich ist für Grübeldinger, denn normalerweise gibt er vor, keinen Besuch empfangen zu wollen, um mich dann jedesmal bereitwillig zu empfangen.

Grübeldingers Wohnung liegt wie ein Anachronismus mitten in der Salzburger Altstadt. Das enge Leben, sagte Grübeldinger mir einmal, habe er zu ertragen. Er sei kein Feigling wie die anderen, die an den Stadtrand fliehen, wo sie hässliche Häuserreihen in die Natur pflügen, wo die Zivilisation wie ein Krebsgeschwür die Landschaft verunstalte. Er stelle sich dem städtischen Leben in diesen engen Gassen, in denen zwar mehr und mehr verlotterte Touristen ahnungslos herumlaufen würden, aber trotzdem gebe es keine Alternative für ihn, als in dieser Stadt zu leben. Ich bin gezwungen, in dieser Stadt zu leben, sagt Grübeldinger immer wieder, und vielleicht ist es dieser Zwang Grübeldingers, der mich immer wieder veranlasst, ihn zu besuchen.

Ich gehe die knarzende Holztreppe nach oben in dem alten Haus, in dem Grübeldinger wohnt. Grübeldinger wohnt unter dem Dach, wo früher das Gesinde wohnte, das betont er immer wieder. Wo sie früher das Gesinde hinsteckten, da stecken sie jetzt mich hin, sagt Grübeldinger. Ich ging mit einem mulmigen Gefühl die knarzenden Holztreppen entlang, mit einem anderen Gefühl als sonst, denn diesmal hatte Grübeldinger mich gebeten, ihn zu besuchen, anders als sonst. Sonst zeigt er immer einen Widerwillen meinen Besuchen gegenüber, wenngleich ich auch vermute, dass es ein gespielter Widerwille ist. Mit diesem mulmigen Gefühl gehe ich die letzten Treppen nach oben. Die Tür von Grübeldingers Wohnung ist offen. Hat er mich kommen hören? Ich sehe in die Wohnung, die aus nur einem Zimmer mit einem nicht sehr großen Fenster besteht. Ganz hinten am Fenster sehe ich Grübeldinger sitzen, schreibend, angestrengt den Kopf über seinen Notizblock beugend. Vorsichtig trete ich ein.

Ich schreibe an einer wichtigen Arbeit, sagt Grübeldinger, ohne dabei sein Gesicht in meine Richtung zu drehen und mich zu begrüßen. Dann schaut er zum Fenster hinaus. Salzburg, Stadt ohne Land, zerrieben und missbraucht, sagt Grübeldinger. Darüber schreibe ich – ich, Grübeldinger, Mensch ohne Heimat, zerrieben und missbraucht. Ich darf mich jetzt nicht ablenken von dieser Arbeit, jetzt, wo ich sie so klar vor mir sehe, jetzt, wo die Zeit gekommen ist, mit der Wahrheit nicht länger zurückzuhalten. Er beugt sich über den Block und starrt auf das Geschriebene.

Wir schweigen einige Minuten, Grübeldinger im Sitzen, ich im Stehen. Ich sollte etwas sagen, aber ich weiß nicht was. Ich sollte gar nichts sagen. Plötzlich greift Grübeldinger nach einem Umschlag, der neben seinem Notizblock auf dem Tisch liegt und reicht ihn mir.
„Was ist das?“ frage ich.
„Mein Vater hat einen Brief gefunden, den dein Großvater an meinen Großvater geschrieben hat.“

                     Reichenhall, Herbst 1939
Lieber Hans,
vielleicht bin ich ein blinder Idealist. Diese Autobahn, die der Führer für uns bauen lässt, sie begeistert mich. Endlich wird unsere Gegend offen für die Welt. In ein paar Jahren werden wir uns alle ein Automobil anschaffen, und nichts kann uns mehr stoppen! Ich bin begeistert, dass es endlich keine Grenze mehr gibt. Wir Hinterstoisser leben seit jeher drüben und herüben, und ich habe mich immer geweigert, uns in Österreicher und Deutsche einzuteilen. Ich weiß noch, wie glücklich ich war letztes Jahr, beim Spatenstich für die Autobahn am Walserberg mit dabei zu sein. Der Führer hat ihn persönlich vorgenommen.
Doch was passiert jetzt? Es wird nur ein kleines Teilstück der Autobahn gebaut, um dem Führer eine winterfeste Zufahrt von München aus zu seiner Residenz am Obersalzberg zu ermöglichen. Das ist nicht schlimm, dachte ich erst, sicher wird bald der Anschluss für die Stadt Salzburg gebaut, den ich als viel sinnvoller erachte. Doch trotzdem beschleicht mich seitdem so ein komisches Gefühl, das ich nicht loswerde. Ist der Führer etwa bloß ein Egoist, dem es nur um seine Macht geht und der uns benutzt? Dem es völlig egal ist, ob die Hinterstoisser durch eine Grenze getrennt sind oder nicht? Ich weiß nicht, warum ich dieses Gefühl nicht loswerde. In meinen schlimmsten Träumen sehe ich den Führer als maßlosen Egoisten, der uns alle ins Verderben reitet.
Ich habe noch nie so viel gearbeitet wie jetzt für dieses Autobahnprojekt. Endlich ist was los! Trotzdem habe ich Angst, dass etwas Schlimmes passiert. Sag mir bitte, dass diese Angst unbegründet ist und meine Gedanken völliger Unsinn sind!
Heil Hitler!          Dein Hermann

Hat Grübeldinger mich wegen diesem Brief zu sich gebeten? Er sagte nichts dazu, richtete stattdessen den Blick zum Fenster hinaus und sagte: Diese Stadt, Salzburg, ist eine Stadt ohne Land, und es ist die Frage, ob eine Stadt ein Land braucht, ob nicht viel mehr ein Land eine Stadt braucht, weil ein Land ohne Stadt an seinem Stumpfsinn zugrunde geht. Aber was ist, wenn die Stadt da ist, aber kein Land mehr? Muss diese Stadt dann nicht wahnsinnig werden? Salzburg, eine Stadt und ein Land. Das sagen sie, dass die Salzburger ein Land haben, obwohl es sich dabei nur um ein paar enge Gebirgstäler handelt, in denen der Stumpfsinn große Blüten treibt. Dieser Stumpfsinn strahlt sogar schon in die Stadt herein, und vielleicht war Salzburg nie die Stadt, die es glaubte zu sein. Vielleicht war hier, in der Stadt, der Stumpfsinn auch schon immer zuhause.

Teil 2

 

Welt Wer Worte