Streitbarer Stürmian

Wir, mein Mitarbeiter Vorderbrandner und ich, sind ein kleines Schreibbüro, das sich aber einträglichen Einnahmequellen nicht verschließen will. Ich habe deshalb Vorderbrandner zur Fußball-Europameisterschaft nach Frankreich geschickt, um dort ein Gespräch mit dem deutschen Nationalspieler Stürmian Beinschweiger zu führen.

Ich hatte Vorderbrandner eindringlich gebeten, seine Sprachverliebtheit hintanzustellen, denn es ginge um Fußball und nicht um Sprache, aber Beinschweiger führte ihn mit eloquenter Wortwahl auf Irrwege:

Vorderbrandner: Stürmian Beinschweiger, heute, kurz vor Ihrem 120. Länderspiel für Deutschland…

Beinschweiger: Ich bestreite es.

Vorderbrandner: Das Spiel oder dass Sie es bestreiten?

Beinschweiger: Wie? Ja, ich bestreite es.

Vorderbrandner: Sie bestreiten also das Spiel, und Sie bestreiten, dass Sie es bestreiten.

Beinschweiger: Mir scheint, Sie wollen einen Streit vom Zaun brechen!

Vorderbrandner: Nein, da verstehen Sie mich falsch. Ich bestreite aufs Eindeutigste, dass ich einen Streit mit Ihnen vom Zaun brechen will, jedoch würde mich interessieren, wie Sie Ihre Rolle sehen in diesem Ihrem mutmaßlich bevorstehenden 120. Länderspiel für Deutschland, dass Sie, wie ich nach wie vor annehme, bestreiten werden, ohne dies zu bestreiten?

Beinschweiger: Was ist das für eine Frage? Das ist doch ein Widerspruch: Wie kann ich ein Spiel bestreiten, ohne es zu bestreiten?

Vorderbrandner: Nun, das ist wiederum eine Frage, die Sie aufgeworfen haben, und ich fürchte, wir werden diesen Widerspruch nicht so schnell auflösen können, da uns die deutsche Sprache, die Sprache dieses Landes, für das Sie in Kürze Ihr 120. Länderspiel bestreiten werden, eine Falle gestellt hat, in der wir, wie es scheint, gefangen sind. Im übrigen sagte ich aber nicht, dass Sie ein Spiel bestreiten, ohne es zu bestreiten, sondern dass Sie ein Spiel bestreiten, ohne dies zu bestreiten.

Beinschweiger: Wollen Sie mich nun etwas fragen oder nicht?

Vorderbrandner: Nach unserem bisherigen Gespräch liegt es mir auf der Zunge zu sagen, dass ich es natürlich nicht bestreite, Sie etwas fragen zu wollen, jedoch sollten Sie dazu die Bereitschaft zeigen, etwas antworten zu wollen, ohne uns in sprachliche Widersprüche zu verwickeln, die ein klar festgelegtes Frage-Antwort-Schema nicht zulassen.

Beinschweiger: Hören Sie, ich habe keine Lust, mit Ihnen zu streiten. Stellen Sie anständige Fragen, die ich beantworten kann, oder ich breche das Gespräch ab!

Vorderbrandner: Streiten und bestreiten, unser Gespräch scheint zwischen diesen Polen zu pendeln. In jedem Fall wünsche ich Ihnen alles Gute für Ihr 120. Länderspiel für Deutschland, das Sie, wie ich hoffe, verletzungsfrei bestreiten werden. Ich danke Ihnen für das Gespräch!

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