Vergangenen Samstag bin ich ins Stadion an der Grünwalder Straße gegangen, weil ich sehen wollte, wie gut die Jungs der zweiten Mannschaft des FC Bayern München Fußball spielen. Wolken und Sonne wechselten am Himmel, es blies ein leichter Wind bei angenehmen Temperaturen. Und vor mir das satte Grün des Spielfelds. Endlich wieder ein Fußballspiel sehen in seiner vollen Größe, und nicht wie es der Kameramann des Fernsehens aufnimmt! Es war alles angerichtet für einen guten Nachmittag.
Dann seid ihr gekommen. Ihr seid zwei Väter mit euren Kindern. Ihr nervt mich. Anfangs weiß ich nicht wieso. Nur weil ihr ständig den Mund offen habt und eure Stimmen hoch und hysterisch klingen – das kann doch nicht so nerven. Doch halt: hysterisch – das ist ein gutes Stichwort. Ihr kommt mit euren Kindern ins Stadion und seid getrieben und gestresst, hysterisch eben. Ich spüre euren Stress, und er macht mich wahnsinnig. Wovor habt ihr Angst? Habt ihr Angst vor euch selbst? Dass eure Kinder euch den Spiegel vorhalten und ihr entsetzt davonlaufen müsst?
Habt ihr eine Ahnung, wer ihr seid? Ihr habt Angst davor, euch selbst kennenzulernen. Deshalb sind eure Kinder eine ständige Gefahr. Also ab ins Stadion: Ablenkung muss her, um euch ja nicht mit euren Kindern und euch selbst zu beschäftigen. Das Fußballspiel als hohles Spektakel der Ablenkung – mit Leuten wie euch lassen sich gute Geschäfte machen. Mit Leuten wie euch, die glauben, sich von ihrer Selbstverantwortung freikaufen zu können.
Das Spiel selbst seht ihr nicht. Ihr beachtet die Spieler auf dem Feld nicht. Ihr merkt nicht einmal, wie ihr ihnen spottet mit eurer Nichtbeachtung. Neunzig Minuten lang gebt ihr euren Kindern vor, dass der jüngere Bruder von Franck Ribéry vielleicht eingewechselt werden wird. Dabei spielt der – Steven Ribéry heißt er übrigens und trägt die Rückennummer 40 – über die gesamten neunzig Minuten. Ihr merkt es nicht, bis zum Schluss.
Beim Weg aus dem Stadion sehe ich euch noch einmal, am Bürgersteig an der Südtribüne. Die Sonne scheint. Eure Kinder geben euch die Hände. Ihr seht nett aus. Doch da waren die neunzig Minuten vorher, die ich mit euch erlebt habe. Deshalb ist das nicht mehr nett für mich, sondern tragisch. Ihr seid tragische Väter. Ihr seid zu tragisch, um euch lächerlich zu finden. Ich bin traurig für euch.
Gedankenverloren renne ich fast in Gerd Müller hinein, der aus dem Spielerausgang auf die Straße kommt. Er scheint etwas gelangweilt, nach dem mauen 1:1 in einem belanglosen Spiel. Die wahren Tragödien spielten sich auf der Tribüne ab. „Gemma?“ fragt ein anderer. Gerd Müller bejaht.
Was für ein tragischer Nachmittag im Stadion. Gehen ist das Beste, das ich tun kann. Die Sonne scheint. Keine Väter mehr. Die sind schon um die Ecke gebogen, mit ihren Kindern.