Veronika hatte ihre Reise in Växjö begonnen. Sie war dort in den Zug gestiegen, um über Kopenhagen und Hamburg nach Garmisch-Partenkirchen zu reisen. Als Lektüre für die Reise hatte sie Die satanischen Verse von Salman Rushdie dabei.
In Schleswig stieg ein deutscher Professor in den Zug, der den Platz ihr gegenüber bezog, um nach Hamburg zu fahren. Er sah Veronikas Lektüre und fragte sie, ob sie denn deutschsprechende Schwedin sei, was Veronika bejahte. Wohin sie denn reise? fragte er außerdem. Was sie, der Wahrheit entsprechend, mit Garmisch-Partenkirchen beantwortete.
Das waren für den Professor genug gestellte Fragen, und er ging in den Vorlesungsmodus über, während dem er keine Widerrede duldet.
Veronika, ich möchte Ihnen gerne etwas über den Buchstaben V im deutschsprachigen Kulturraum erzählen, sagte er:
Im süddeutschen Raum, vor allem in Bayern, wird das V wie F ausgesprochen, was Salman Rushdies satanische Verse zu einer satanischen Ferse machen. Je weiter nördlich man kommt, desto mehr wird das V wie ein W ausgesprochen. Das V ist ein Zwitterwesen zwischen F und W. Gäbe es das V nicht, müsste eine Feronika aus dem süddeutschen Raum, die nach Norden reist, sich bei Ankunft im Norden Weronika schreiben. Und umgekehrt. Aber sie schreiben sich ja, wie ich annehme, mit V.
Ja, sagte Veronika. und unterbrach den Vorlesungsmodus des Professors, indem sie weiterdozierte:
Ich kenne das W, von dem sie dauernd sprechen, gar nicht. Es ist für mich ein doppeltes V, das im Schwedischen praktisch nicht verwendet wird. Das V wird immer wie W gesprochen.
Sie schlug Die satanischen Verse zu und sah auf den Titel. Dann fuhr sie fort:
In Schweden würde niemand auf die Idee kommen, die satanischen Verse als satanische Werse niederzuschreiben, weil niemand bei satanischen Versen auf die Idee kommen würde, dass es sich um satanische Fersen handeln könnte.
Den Rest der Fahrt nach Hamburg verbrachten sie schweigend.