Ich war wieder einmal mit einer Studie zur Vergangenheitsbewältigung beschäftigt, ich hatte, wie immer für diese Studien, meinen Schreibtisch verlassen und mich ins Bett gelegt, im leichten Dämmerschlaf kommen mir die größten Erkenntnisse bei meinen Studien zur Vergangenheitsbewältigung, ich sah meinen Vater in der Kirche sitzen, in einer der harten Bänke, knieend, und er sprach die Worte der Schuld:
Ich habe gesündigt, in Gedanken, Worten und Werken, durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine große Schuld,
er bemerkte mich nicht, so versunken war er in sein andächtiges Schuldgeständnis, dann stand er auf, er verließ die harte Bank, ich meine er schaute kurz zu mir, oder wünsche ich mir das nur, jedenfalls ging er dann, ohne zu mir zu kommen, den steinigen Gang entlang aus der Kirche, vermutlich ins Wirtshaus, aber das weiß ich nicht, er war einfach verschwunden, ich war nun alleine, nur Julia huschte noch kurz um die Ecke, ja, Julia, nicht Maria, Maria würde besser in die Kirche passen, aber es war Julia, wir hatten uns abgeschleckt, zuerst an den Zungen, dann am ganzen Körper, wir waren ins Schwitzen gekommen bei unserem Abschlecken, ich möchte gerne, dass wir uns wieder abschlecken, aber ich traue mich nicht mehr, ist es denn eine Sünde, wenn Julia und ich uns abschlecken? Julia verschwand hinter dem Pfeiler, dann sah ich sie nicht mehr, ich bildete mir ein, sie war im Beichtstuhl verschwunden und sprach dort die Worte der Schuld:
Ich habe gesündigt, in Gedanken, Worten und Werken, durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine große Schuld,
Julia, du meinst doch nicht das Abschlecken? Abschlecken ist doch keine Sünde! Ist Abschlecken Sünde? Bitte sag dass es keine Sünde ist! Julia! Mein Ruf hallte durch die Kirche, obwohl ich ihn nicht rief, nein, ich verstummte, ich war nun wirklich alleine in der Kirche, es war nun an der Zeit, selbst Worte der Schuld zu sprechen, furchtlos schritt ich zum Altar, stellte mich auf ihn und begann zu singen:
Ich schaue auf mein Leben, mit einem Gefühl der Scham, ich bin der Schuldige, alles was ich tun will, egal wann, wo, mit wem, es ist immer dasselbe: Es ist Sünde!
Die Kirche füllte sich mit Menschen, mit vielen Menschen, sie wurde übervoll, wie in Trance setzte ich meinen Gesang fort:
Der Jubel der vielen Menschen setzte ein, sie zündeten ein Feuer an, das Feuer umtoste mich, mir wurde heiß, sehr heiß, ich rannte durch das Feuer über den steinigen Weg nach draußen, in mir brannte das Feuer für Julia, nun, draußen angelangt, beschloss ich, die Sünde zu leben, je mehr Sünde desto besser, das Feuer beherrschte mich, ich bekam wahnsinnige Lust auf Julia, ich wollte ihre Haut spüren, sie abschlecken, ich wollte ihre Haare zerzausen, ihre Körperöffnungen erkunden, der Leib Juliä, Amen, ich rannte und rannte um nicht wahnsinnig zu werden, Julia, nur du kannst mich retten vor dem Strudel der Sünde, nimm mich auf in deinen warmen Schoß, lass mich an dir riechen, betöre mich, ich rannte und rannte und… blieb erschöpft stehen, mitten im Wald war ich gelandet, die Ekstase von Sünde und Lust verflüchtigte sich, ich nahm einen Zweig vom Boden und schlug mich damit, ich verfluchte meinen Leib der mich zu den Sünden verführt, ich geißelte mich ob meiner lächerlichen Begierden, ich geißelte mich ob meines Menschseins, ich hasste mich, ich beschloss, fortan die Sünde hinter mir zu lassen. Du Depp du! waren meine Worte zu mir: Lass diesen Unsinn!
Da kam einer des Weges, irgendeiner, ich hatte ihn noch nie gesehen, doch er hatte mich durchschaut und lachte über mich, er hatte mich sagen hören: Du Depp du, er wusste auch von mir und Julia und machte sich lustig über meinen Kopf in ihrem Schoß, ich wurde wütend, ich werd’s dir zeigen, dachte ich mir, er aber ging einfach weiter, ich machte ein paar Schritte, bemerkte meine Erschöpfung und verfolgte ihn nicht weiter, rief ihm aber hinterher, was ich von ihm halte:
Er aber ging weiter und weiter ohne sich einmal umzudrehen, zähneknirschend ging ich daraufhin in die Stadt zurück, es kamen mir lauter Deppen entgegen, wirklich, lauter Deppen, ich hatte auch keine Lust mehr auf Julia, soll sie sich doch zum Teufel scheren, ich wusste nicht wohin, alles ist Sünde, meine Studie zur Vergangenheitsbewältigung schien erfolglos ihrem Ende entgegenzustraucheln, mitten in diesem Straucheln stieg ich aus dem Bett und trank ein Glas Wasser. Und dachte an Julia.