Ich hatte den Anfang verpasst, ich war bereits unterwegs: mit Weidmann. Wir fuhren mit einem Bus, ich glaube, es war Weidmanns Bus, seltsam war nur, dass ich am Steuer saß und Weidmann Beifahrer war. Sonst war niemand im Bus, glaubte ich zumindest, aber Weidmann drehte sich immer wieder um, so als wäre jemand im Bus, so dass ich plötzlich das Gefühl hatte, Wendla, Moritz und Melchior wären im Bus, es fühlte sich an wie Frühlingserwachen, obwohl es dunkel war und ich keine Blumen auf der Wiese sehen konnte, nein, ich sah nur den Asphalt im Scheinwerferkegel vor mir.
Weidmann sprach davon, dass wir auf keinen Fall anhalten dürfen, auf keinen Fall, er sagte aber nicht warum, vielleicht fuhren wir von Italien nach Deutschland, durch Österreich, wo wir ja nicht anhalten dürfen, das wusste ich, aber ich dachte nicht an Tankinhalt und Harndrang, die uns zum Anhalten zwingen könnten, diese Gedanken kamen mir überhaupt nicht in den Sinn, ich konzentrierte mich auf den Scheinwerferkegel vor mir, auch Weidmann drehte sich nicht mehr um, zu Wendla, Moritz und Melchior, sondern konzentrierte sich auch auf den Scheinwerferkegel vor uns.
Vermutlich wären wir ohne Anhalten durch Österreich gekommen, als sich die Fahrbahn plötzlich teilte, nach links in ein bläulich kaltes dunkles Licht und nach rechts in ein gelblich warmes helles Licht, und mir war klar, dass für ein Weiterfahren ein Eintauchen in das bläulich kalte dunkle Licht erforderlich gewesen wäre, aber ich hatte Angst, in das bläulich kalte dunkle Licht einzutauchen, wie unter Zwang steuerte ich nach rechts, ins gelblich warme helle Licht, wo uns eine Polizeikontrolle erwartete, das war keine Überraschung, das war völlig klar, ich war willentlich in diese Kontrolle gefahren, obwohl wir doch gar nicht anhalten dürfen, ich sah Weidmann an, und er sah mich an. Ich drehte mich um, aber im Bus saßen nicht Wendla, Moritz und Melchior. Der ganze Bus war eine ebene Fläche, auf der sich niemand befand, nur ein kleines gelbes Büchlein, das sogleich von den Polizisten beschlagnahmt wurde. Solch verwerfliche Ware müssen wir konfiszieren! lautete die Ansage. Ich verstand nicht, von was die Rede war, bis mir einer der Polizisten das Büchlein unter die Nase hielt. Ich las:
Emil Hinterstoisser
Jung und Frivol
ein Plädoyer für den Frühling
Sie zerrten mich aus dem Bus, packten mich:
Sie sind verhaftet!
Aber ich bin doch nur ein Mensch, der das Leben liebt. Lesen Sie das Buch, und Sie werden es verstehen!
Ich wehrte mich, doch sie ließen nicht los, und ich war froh, dass Wendla, Moritz und Melchior nicht im Bus waren, ich bildete mir ein, sie im Mondlicht über die Hügel laufen zu sehen. Frühlingserwachen, ist das schön, dachte ich, und mir kamen vor Rührung die Tränen. Weidmann stand wortlos da, was mich beruhigte, und so sagte ich:
Na gut, gehen wir.
Die Polizisten ließen mich los und schauten mich ratlos an. Ich ging den Asphalt entlang, hinunter zu den grauen Häusern, und sie folgten mir ehrerbietig. Als unser Trauerzug die grauen Häuser erreicht hatte, legte ich mein Schuldgeständnis in musikalischer Form ab: