Winter war es, irgendwann im Dezember oder Januar, wenn die Tage am kürzesten sind. Ich war früh erwacht, etwa um sieben denke ich, denn beim Blick aus dem Fenster erahnte ich das erste Morgenlicht. Ich beschloss, rauszugehen in den Morgen.
Als ich aus dem Haustor trat auf den Gehsteig, hörte ich Würgelaute. Jemand erbrach sich. Er trug dabei eine rote Mütze, und da wusste ich, es muss Dezember sein, irgendwann vor Weihnachten. Zu vermuten ist folgendes Szenario: Der Erbrechende hatte auf der Weihnachtsfeier maßlos getrunken, Alkohol war reichlich in seinen Körper geflossen, hatte ihn vergiftet, und nun wollte dieser Körper das Gift wieder loswerden. Ich ersann eine freie Übersetzung des Cat Stevens-Klassikers Morning has broken: Morgen hat gebrochen, es hat schlecht gerochen. So begann also mein Morgen, mein Morgen im Dezember.
Es sollte ein sonniger Tag werden, bald würde die Sonne flach am Horizont erscheinen, kalt und klar. Ich ging in den Park, und dort war es so: Die Dohlen hockten hart am Teich. Der Morgen passt besser zum Frühling als zum Winter. Ein Frühlingsmorgen, an dem der nasse Tau von der warmen Sonne bestrahlt wird, das ist ein Morgen, an dem die Dohlen weich am Teich weilen. Ein Wintermorgen ist kein Morgen. Winter ist Kerzenlicht in der Dunkelheit. Umso überraschender kommt der Morgen im Winter. Er ist wie der erste Morgen, an dem das Licht in die Dunkelheit kommt, als wäre es das allererste Licht.
Ich ging weiter, eine Amsel flatterte aus einem kahlen Busch mit leisem Gezeter, man könnte sagen: Im Geäst schwamm ein Klang in Moll. Langsam rollte sich die Sonne zum Horizont empor, und der Morgen, der zunächst auf den Gehsteig gebrochen hatte, war nun angebrochen, wie der erste Morgen. Die Dohlen hockten immer noch hart und weilten nicht weich. Die kalte Kälte trieb mich in meine warme Stube, dort hörte ich das Rauschen des heißen Wassers im Heizkörper. Gibt es etwas Schöneres als eine warme weiche Stube an einem kalten klaren Wintermorgen?
Ich sah meine Gitarre und mein Klavier und ich meine, ich spielte auf beiden gleichzeitig und sang dazu. Oder war jemand bei mir und spielte am Klavier und noch jemand der an der Gitarre spielte? Sang ich selbst, oder ließ ich singen? Es musizierte in mir und durch mich, es erklang ein Lied, und dieses Lied war für mich die einzige Möglichkeit, meine überwältigenden morgendlichen Erlebnisse zu verarbeiten:
Der Morgen ist angebrochen wie der erste Morgen. Die Amsel hat gesungen wie der erste Vogel. Ein Loblied auf ihren Gesang, ein Loblied auf den Morgen. Sie haben heute die Welt neu erschaffen.