eine Geschichte über Kontrolle und Vertrauen
Konrad Vert war früher ein sehr angenehmer Zeitgenosse. Ihn zu sehen war mir jedesmal eine große Freude. Doch seit er Elisabeth Rauen kennengelernt hat, hat sich das grundlegend geändert.
Konrad kam damals zu mir, völlig euphorisiert, und sagte: Stell dir vor: Ich habe eine Frau namens Rauen kennengelernt! Das ist meine große Chance! Durch sie kann ich mein großes Lebensthema, das Vertrauen, in meinen Namen integrieren: Vert-Rauen. Ich muss sie heiraten!
Konrad hofierte und umwöhnte in der Folgezeit Elisabeth – so heißt die damals so heftig Umworbene mit Vornamen – wie die Prinzessin auf der Erbse. Der Diener und seine Herrin. Schließlich schaffte es Konrad, dass Elisabeth einwilligte zu heiraten, und aus Konrad Vert und Elisabeth Rauen wurden Konrad und Elisabeth Vert-Rauen. Konrad wollte noch durchsetzen, dass der Doppelname ohne Bindestrich geschrieben wird, also Vertrauen, kam damit aber bei den Behörden nicht durch. Das hinderte ihn nicht daran, seine Vertrauen-Praxis zu eröffnen für alle, die auf der Suche nach dem Vertrauen in ihr Leben sind.
Der größte Fehler ist doch, dozierte Konrad bei jeder Gelegenheit, dass wir über alles Kontrolle haben wollen. Dabei braucht es Vertrauen statt Kontrolle. Kommt zu mir und ich zeige euch, wie das Vertrauen in euer Leben kommt!
Aber die Leute wollten sich nicht so recht einlassen auf seine Vertrauen-Workshops, und so schimpfte Konrad immer mehr auf die kontrollwütigen Individuen unserer Gesellschaft, die unfähig seien, Vertrauen in sich aufzubauen, die diese Unfähigkeit an sich nicht erkennen würden und deshalb nicht einmal fähig seien, zu ihm zu kommen, der ihnen zeigen würde, was Vertrauen heißt.
Schließlich wurde das Geld knapp, und ein Freund von Elisabeth lieh ihnen Geld. Konrad bezichtigte daraufhin Elisabeth, eine Affäre mit diesem Freund zu haben, mit diesem neureichen Scheusal, wie er sagte, der mit seinem Geld Kontrolle ausüben will. Eines Abends, Konrad war völlig verzweifelt und hatte einigen Alkohol getrunken, sagte er mir, er werde nun einen Detektiv engagieren, um Elisabeth und dieses kontrollierende Geldschwein beobachten zu lassen. Er werde ein für allemal aufdecken, dass dieses Schwein Elisabeths Untergang bedeutet und dass solche Schweine im Allgemeinen den Untergang dieser Welt bedeuten.
Ich fuhr ihm ins Wort und sagte: Konrad! Was du da treibst, ist totaler Mist. Du schürst nichts als Mißtrauen. Konrad Mist-Rauen. Du bist für mich Konrad Kont auf der Suche nach Rosina Rolle, zur Erlangung der totalen Kontrolle!
Da wurde Konrad fuchsteufelswild und fuchtelte mit den Armen. Dann sackte er in sich zusammen und sagte mit starrem Blick: So ist es eben – wenn jemand nicht vertrauen kann, braucht es Kontrolle. Ich wollte es nicht. Ich wollte die Welt in ihr Vertrauen bringen. Aber die Welt braucht eben Kontrolle, Kontrolle, Kontrolle, nichts als Kontrolle!