„Filo und Bene trennen sich!“
Vorderbrandner rief mir diese Nachricht zu als eine Weltneuheit, die umfassender Analyse bedarf.
„Hast du gehört: Filo und Bene trennen sich!“
„Ja, ich habe gehört. Was ist denn das für eine Nachricht? Das Erwartbare ist nach langen, quälenden Jahren endlich eingetreten. Zumindest für mich“, sagte ich: „Und was heißt das überhaupt: Sie trennen sich? Hätten sie ihre Vereinigung nicht so ernst genommen, müssten sie ihre Trennung jetzt nicht so ernst nehmen. Die Polarität der Dinge ist eine fatale Falle, die sich das Hirn stellt.“
„Bene zieht aus.“
„Soso, Bene zieht aus. Findet er seine These nun bestätigt?“
„Welche These?“
„Die These, dass der Mann nur der Erzeuger ist, aber mit der Aufzucht des Nachwuchses am besten nichts zu tun haben sollte.“
„Das sagt Bene?“
„Ja, das sagt Bene. Sein Lieblingstier ist der Gepard. Männliche Geparden kümmern sich überhaupt nicht um den Nachwuchs. Das macht das Weibchen alleine. Dieses Rollenmodell, sagt Bene, wäre für die Menschheit ein erstrebenswertes. Was Bene allerdings nicht sagt: Es gilt als wahrscheinlich, dass männliche Geparden ein sehr orientierungsloses Leben führen, weil sie als Junge keine väterliche Führung erfahren.“
„Dann soll also Liliane bei Filo bleiben und Ludwig mit Bene ausziehen?“
„Nein, Schmarren! Li braucht genauso ihren Vater wie Lu seine Mutter. Wir alle, ob Mann oder Frau, tragen männliche und weibliche Anteile in uns.“
„Ist das die Erkenntnis aus deinem letzten Tantra-Seminar?“
„Nein. Das ist meine Überzeugung. Mann und Frau ist genauso eine Polarität wie vereinigen und trennen. Vielleicht sollte man Filo und Bene sagen, dass sie sich nicht trennen sollen. Nicht so permanent, als polare Endlösung. Vielleicht sollten sie mehr changieren zwischen Trennung und Vereinigung. Nicht auf den Polaritäten beharren.“
„Du hast leicht reden. Drückst dich selbst vor jeglicher Beziehung und willst anderen raten, wie sie ihre Beziehung führen sollen. Speziell wenn Kinder da sind, ist es nicht leicht sich zu trennen!“
„Die Kinder! Dann wird auf die Kinder gezeigt! Ein Kind ist nur so glücklich, wie es seine Eltern sind. Kann ein Kind glücklich sein, wenn seine Eltern unglücklich in ihrer Beziehung sind? Das Kind hat ein Recht darauf, nicht in der unglücklichen Beziehung seiner Eltern gefangen zu sein. Und die unglückliche Beziehung, die machen sich die Eltern selbst. Es müsste keine unglücklichen Beziehungen geben, wenn jeder offen wäre für eine glückliche Beziehung. Aber immer sind da diese Vorstellungen und Erwartungen von Glück, die geradewegs ins Unglück führen!“
Ich beendete meinen Vortrag, und auch Vorderbrandner sagte nichts. Dann fiel mir mein Traum von letzter Nacht ein und ich begann, ihn zu erzählen:
„Ich sah Filos und Benes in orange gehaltenes Wohnzimmer mit den grünen Sesseln. Die drei Holzgazellen standen da, die Filo aufgestellt hatte zur Steigerung ihrer Fertilität, weil es doch anfangs mit dem Schwangerwerden nicht geklappt hat. Dann kam Filo in den Raum, ganz in brauner Tarnfarbe gekleidet, und machte merkwürdige Verrenkungen. Sie schien sich auf die Begrüßung von Gästen vorzubereiten. Bald wackelte auch Bene rein, ebenfalls in tarnfarbenem Braun, und schenkte sich erstmal einen ein, um sich auf seine Art auf den anstehenden Abend vorzubereiten. Als erster Gast kam Gusti. Oder heißt sie Gundi?“
„Beides. Sie heißt Auguste Gundula.“
„Auf jeden Fall die mit dem Putzfimmel. Sie nahm gleich nach der Begrüßung den Staubsauger und fing zu saugen an. Schon seltsam, dass mich Filo und Bene hartnäckig mit ihr verkuppeln wollten.“
„Du wärst aufgeräumt gewesen mit ihr.“
„Dann kamst du, mit deiner kackbraunen Strickweste, die du eine zeitlang immer getragen hast.“
„Das ist ja schon ewig her!“
„Ja, ihr wart alle recht jung in meinem Traum. Du kamst tanzend in den Raum, mit der Ungarin, die ganz in grün gekleidet war, dabei aber das Kunststück fertigbrachte, dass der Rock nicht zum Oberteil passte.“
„Mit der kam ich auf die Party, stimmt. Sie sagte, sie will nur mitkommen, wenn wir tanzen. Das war aber keine Ungarin.“
„Mag sein. Aber jeder nannte sie doch Die Ungarin.“
„Und dann?“
„Kamen noch ein paar andere Leute. Auch der Verehrer, den sich Filo immer hielt. Stand draußen am Fenster, hat reingeguckt und getrunken. Seltsam, dass Filo sich immer Trinker hält. Und dann kam Agathe reingehüpft, mit einem kurzen schwarzen Kleidchen und einem Stirntuch in den Haaren.“
„Das ist kein Traum – das war so! Agathe kam zur Tür herein, total aufgedreht, und ist über den von Auguste Gundula bedienten Staubsauger gefallen. Ich saß in einem der grünen Sessel, und sie ist quasi direkt in meinen Schoß gefallen. Damals haben wir uns das erste Mal gesehen. Ich erinnere mich genau. Du warst übrigens nicht auf der Party, hast komisch rumgedruckst. Wolltest wohl Auguste Gundula nicht treffen.“
„Auguste Gundula – was macht die eigentlich?“
„Hat einen rechten Spießer geheiratet, hat mit ihm zwei Kinder und lebt im Reihenhaus im Umland, das sie schön sauber hält. Ein perfektes Paar sozusagen.“
„Ein perfektes Paar? So wie Filo und Bene? Ich will nichts mehr hören von perfekten Paaren!“
„Bist ja bloß neidisch, dass du nicht Teil eines perfekten Paares bist!“
„Ja, wahrscheinlich. Und du und Agathe? Seid ihr auch so ein perfektes Paar?“
„Agathe und ich? Wir sind ziemlich unperfekt. Haben kein Bedürfnis zusammenzuziehen wie es die bürgerliche Konvention für perfekte Paare vorschreibt. Freuen uns jedesmal, wenn wir uns sehen. Wahnsinn eigentlich, dass sie mir damals so in den Schoß gefallen ist. Ich habe das Gefühl, wir sind auf einer Reise, von der wir nicht wissen, wo sie uns hinführt und auf der wir uns immer wieder begegnen. Das ist schön.“
„Eine Frage: War eigentlich die Blondine damals auf der Party, in die ich so verknallt war? Und trug sie einen bunten blumigen Hosenanzug?“
„Daher weht der Wind. Deshalb der Traum. Ich weiß nicht mehr, ob sie da war. Kann schon sein. – Und selbst wenn ich es wüsste: Ich würde es dir nicht sagen. Wärst du damals einfach gekommen, dann müsstest du nach so langer Zeit nicht mehr von ihr träumen! Sondern würdest auf deiner Lebensreise vielleicht von ihr begleitet werden. Oder auch nicht. Jedenfalls würdest du nicht mehr in Sehnsucht nach ihr zergehen und von der perfekten Beziehung träumen.“
Perfekte Paare: Der Traum in Bildern