Die Welt in schwarz und bunt

Da kommt mir also folgender Satz in den Sinn: Ich sehe eine rote Tür, aber sehen will ich sie schwarz, und ich weiß nicht, ob es bloß ein musikalisches Zitat ist oder ein ernstzunehmender Gedanke, denn es fühlt sich an wie eine Wahrheit.

Allmählich, ganz langsam und schleichend, übernimmt das musikalische Zitat die Macht über mich und ich entgleite mir und meinem Leben. Die Menschen auf der Straße sind nicht schön in meiner schwarzen Welt, im Gegenteil, sie öden mich an, speziell die Frauen, die ich speziell verachte, und nun, als ich mich so in meiner schwarzen Welt bewege, fällt mir Josefine ein, und ich verachte sie umso mehr, noch mehr als alle anderen, und ich kann nicht verstehen, wie ich jemals an unsere Beziehung glauben konnte.

Es fällt mir schwer, diese Geschichte nun weitererzählen, denn meine Welt wird immer schwärzer und man möchte meinen, dass es nicht mehr viel zu erzählen gibt. Doch als meine Welt am wohl schwärzesten Punkt angelangt ist, beschleicht mich plötzlich eine Ahnung, dass es auch eine andere Welt als die schwarze geben könnte. Diese Ahnung hat es schwer gegen meinen festen Glauben an die schwarze Welt, denn so schwarz die schwarze Welt auch ist, sie bietet mir Schutz gegenüber dieser anderen Welt die ich vermute, und ich vermute sie bunt und mein schwarzer Glaube malt lauter Gefahren in diese bunte Welt.

Nichtsdestotrotz – im Nachhinein ist es wie ein Wunder – entwickelt sich diese Ahnung von einer bunten Welt zu einer Neugier, die mich beschließen lässt, jeden Tag ein Stück der bunten Welt zu entdecken, bevor ich mich nachts wieder in die schwarze Welt zurückziehe, um mich auszuruhen von meinen Entdeckungen in der bunten Welt. Auf meinen täglichen Streifzügen gehe ich zunächst, um es mit den Farben nicht zu bunt zu treiben und mein schwarzes Gemüt nicht zu überfordern, über grüne Wiesen. Ich bestaune die Gräser an meinen Füßen. Bald getraue ich mich, zum Himmel hochzublicken und das Blau zu bestaunen, das ich bei diesem Hochblicken wahrnehme. Bei einem meiner Streifzüge komme ich schließlich an eine Wiese, die mir besonders gut gefällt. Ich lege mich in das Gras dieser Wiese. Im Liegen sind die Gräser neben mir noch grüner und der Himmel über mir noch blauer. Ich stehe wieder auf und beschließe, die Wiese, die mir so besonders gut gefällt, weiter zu erkunden, denn nun fühle ich mich bereit, nach dem Grün der Gräser und dem Blau des Himmels die Wiese nach bunten Blumen zu durchsuchen.

Bei diesem Suchen kommt eine Frau in mein Blickfeld. Sie liegt in der Wiese zwischen den Gräsern. Meine Neugier treibt mich, ich nähere mich der Frau zwischen den Gräsern. Beim Näherkommen bemerke ich, dass die Frau zwischen den Gräsern Josefine ist. Ich bekomme heftiges Herzklopfen. Es ist ein neues Gefühl, Josefine in der bunten und nicht in der schwarzen Welt zu begegnen. Meine Neugier darüber, wie es ist, Josefine in der bunten Welt zu begegnen, ist größer als alle meine Sorgen und Bedenken, die ich aus der schwarzen Welt kenne, ja ich glaube so ist es, denn ich gehe freudig auf sie zu und setze mich zu ihr ins Gras. Wir sitzen im Gras und erzählen uns von unseren Sorgen und Nöten, von unseren Freuden und Glücksmomenten, und die Welt – im Nachhinein ist es wie ein Wunder – hört nicht auf, bunt zu sein.

Josefine sagt, sie hatte sich bereits entschlossen, fortzugehen, sie war innerlich schon fort, doch vor ein paar Tagen hat sie entschieden, hier zu bleiben.

Dann bist du ja neu hier! sage ich und stelle fest, dass Josefine zwar aussieht wie immer, aber sich in meinen Augen verändert hat. Ich glaubte sie zu kennen, aber jetzt merke ich, dass ich sie nicht kannte und dass ich sie gerade neu kennenlerne.

Ich habe mir angewöhnt, jeden Tag als etwas Neues zu betrachten, sagt Josefine, als die Sonne schon tief hinter ihr steht.

Deine Haare waren nie blonder und die Sonne nie goldener als jetzt, und obwohl es nicht regnet, leuchtet alles um dich herum in den Farben eines Regenbogens, sage ich, und wieder weiß ich nicht, ob mich lediglich in musikalischen Zitaten bewege, doch es ist zu vermuten, dass dieses musikalische Zitat eine Annäherung an das ist, was ich als meine bunte Welt erlebe.