Ich kam nachhause. Sie stand nackt in der Küche, mit einem Handspiegel ihr Gesicht betrachtend. Das Licht des Abends legte sich sanft auf ihre Haut. Das war gestern.
Ich will diesen Moment wieder erleben. Ich rief sie heute an, ungefähr zehn Minuten bevor ich nachhause kommen würde, und bat sie, sich wieder nackt in die Küche zu stellen, mit dem Handspiegel in der Hand, um mich wieder so zu empfangen, wie gestern.
Ich war aufgeregt. Doch dann hielt die U-Bahn plötzlich im Tunnel und blieb lange stehen. Endlich an der Station angekommen, stürmte ich aus dem Waggon, drängte mich an den Leuten vorbei und lief nachhause.
Sie stand in der Küche, aber nicht nackt, sondern mit einem Bademantel übergezogen, und nicht mit einem Handspiegel, sondern mit einem Buch in der Hand.
Sie: Da bist du ja./Ich: Ja, tut mir leid. Ich gehe nochmal aus der Wohnung./Sie: Warum?/Ich: Könntest du, bis ich wiederkomme, den Bademantel ausziehen und den Handspiegel in die Hand nehmen, wie gestern?/Sie schaute mich an, halb verständnislos, halb lächelnd und sagte schließlich: Geh. Raus mit dir!
Als ich wieder reinkam, stand sie da, wie gestern, nackt, mit einem Handspiegel in der Hand. Es ist nicht so wie gestern, sagte ich enttäuscht. Es ist dunkler als gestern, weil es schon später ist./Na und, sagte sie, bin ich deshalb weniger schön?/Nein, aber anders./Ja klar, es ist ja auch heute und nicht gestern.
Stimmt. Es ist heute und nicht gestern. Wieso hänge ich so an gestern? Ich schüttle mich kurz, so als müsste ich mich aus einer Schockstarre befreien. Ich ziehe mich aus und gehe zu ihr. Ich streichle ihre Haare und küsse ihren Nacken. Heute ist viel schöner als gestern.