Archiv für den Monat: August 2023
Das Ruhebereich
Einst herrschte König Rudolph in seinem Reich. König Rudolph wollte seine Ruhe haben. Um dies zu betonen, ließ er sich nicht mit vollem Namen ansprechen, sondern wollte auf allen offiziellen Dokumenten König Ru genannt werden. Warum er hierbei das h wegließ, kann nicht mehr abschließend geklärt werden. Einige meinen, er fürchtete, dass man bei König Ruh meinen könnte, das Papier, auf dem es geschrieben steht, habe eine große Falte geworfen und das dolp zwischen Ru und h sei lediglich verdeckt, sodass erst recht davon ausgegangen worden wäre, dass er König Rudolph sei und nicht KÖnig Ruh. Andere Geschichtswissenschaftler meinen, dass h sei auf der offziellen Urkunde einfach vergessen worden.
Wie auch immer – er war König Ru und wollte seine Ruhe. Außer es gab etwas zu feiern: Dann ließ er anordnen, dass alle einen heben sollen. Woraufhin das Volk sich ständig Gründe ausdachte, etwas zu feiern, um dabei einen zu heben. Ständig wurde gehoben in Rus Reich. Es wurde deshalb auch Hebereich genannt, und später, um es besser von anderen Reichen, in denen auch fleißig gehoben wurde und die deshalb auch Hebereiche genannt wurden, unterscheiden zu können, ging es als Ruhebereich in die Geschichte ein.
Kalt um klar zu sehen
Der Asphalt war aufgeheizt von der Sonne, als die Sohlen meiner Schuhe ihn berührten. Ich hatte ein Bedürfnis zu spüren, doch es war ein unerträglicher Gedanke, die Schuhe auszuziehen und mit meinen nackten Füße den heißen Asphalt zu spüren. Ich spürte meine Füße, die in Socken und Schuhen schwitzten. Ich betrat das Gebäude, dessen klimatisierte Kühle mich spüren ließ, dass ich auch in Hose und Hemd schwitzte.
Eine feuchte Wiese im Morgentau, ein kühles Bad im kalten Bach, davon träumte ich, als ich das Büro betrat, um meiner Arbeit nachzugehen:
Besser im Dunkeln
Ich glaube, das war unser Einverständnis: Wir empfanden unsere Bergierden als dunkel. Wir glaubten, dass sie im Dunkeln niemand sehen kann, nicht einmal wir selbst:
Ich bin tief unten
Ich bin tief unten. Das kann ich jetzt sagen, weil ich zwischenzeitlich weit oben war. Lange war ich nur tief unten. Es gab kein Unten und kein Oben. Unten war normal. Unten schob ich ein schweres Bassin, das randvoll mit Wasser gefüllt war. Alle anderen, zumindest die, die ich kannte, schoben auch ein Bassin. Jeder hatte sein Bassin, das randvoll mit Wasser gefüllt war. Wir mussten aufpassen, nicht mit den schweren, wassergefüllten Bassins aneinanderzustoßen oder zwischen ihnen zerquetscht zu werden. Solche Zerquetschungen kamen oft vor, die nicht selten tödlich endeten.
Als ich Zeuge einer solchen tödliche Zerquetschung wurde, verweigerte ich, mein wassergefüllte Bassin weiter herumzuschieben, woraufhin große Aufregung herrschte. Das sei doch nicht normal, war die einhellige Meinung, dass einer sein wassergefülltes Bassin nicht mehr herumschieben will. Das machen doch alle. Meine Eltern, für die das Herumschieben des wassergefüllten Bassins eine furchtbare Plackerei war, die es aber trotzdem widerstandslos taten, machten sich große Sorgen um mich, und sie sorgten dafür, dass ich in psychiatrische Behandlung komme, um meine Verweigerung, mein wassergefülltes Bassin herumzuschieben, aufzugeben.
In die Psychiatrie musste und durfte ich mein wasserbefülltes Bassin nicht mitnehmen. Das schoben derweil meine Eltern zusätzlich hin und her, um es mir nach meiner Rückkehr wieder zu übergeben. Denn es war wichtig, scheinbar überlebenswichtig, sein Bassin nicht zu verlieren. Ohne Bassin war man nichts. Tatsächlich fehlte mir mein Bassin in der Psychiatrie. Ich saß buchstäblich auf dem Trockenen. Nach längerem Nachdenken bemerkte ich, dass mir nicht das Bassin mit seinen harten Wänden, sondern das Wasser darin fehlte. Mir fehlte das Wasser so sehr, dass ich mich nachts aus der Psychiatrie zu meinem Bassin schlich. Ich wollte unbedingt ins Wasser, obwohl ich nicht schwimmen konnte. Ich versuchte, die Außenwand des Bassins hochzuklettern, rutschte aber immer wieder ab. Plötzlich aber zog es mich nach oben, und von oben plumpste ich ins Wasser. Die Wände des Bassins waren verschwunden. Ich konnte nicht sagen, wo oben und unten ist. Es war auch nicht wichtig. Ich sah nur mehr Wasser um mich. Ich patschte unbeholfen im Wasser herum. Ich war nicht gewohnt, mich im Wasser zu bewegen, ich war nur gewohnt, es im Bassin herumzuschieben. Ich hatte Panik unterzugehen und zu ertrinken, doch dann bemerkte ich zu meiner Überraschung, dass ich getragen wurde.
Ehe ich das Getragenwerden genießen kann, finde ich mich wieder in der Psychiatrie. Mir wird gesagt: Das Untensein ist der Normalzustand. Schlag dir das Oben aus dem Kopf. Oben gibt es nicht.