War ich enttäuscht im Leben, bin ich davongelaufen. Ich wollte diesmal Josefine die Schuld für meine Enttäuschung geben, sie als die Verkörperung meiner Enttäuschung definieren und vor ihr davonlaufen. Sie verlassen, um mein Unglück mit ihr hinter mir zu lassen. Aber es funktionierte nicht. Ich spürte die Enttäuschung tief in mir, und nichts und niemand sonst war schuld daran. Kann ich vor mir davonlaufen?
Ich lief tief in den Zeller Wald hinein und verirrte mich. Ich lief zwischen den Bäumen hin und her, bis ich schließlich entkräftet stehen blieb. Ich stützte meine Hände auf meine Knie und atmete keuchend. Es ist nicht nur die Enttäuschung, vor der ich davonlaufe, sondern auch das Glück, dem ich hinterherlaufe. Wo ist das Glück, dem ich so rastlos hinterherlaufe, um es schließlich nie zu finden? Wann finde ich es endlich? Wie weit muss ich noch laufen? Und wohin?
Mitten in meiner Verzweiflung sprang plötzlich Goethe aus dem Gebüsch. Hatte er sich ebenfalls im Zeller Wald verirrt? Lief er auch vor einer Enttäuschung davon? War er nicht längst tot? Ich war beeindruckt von seiner Erscheinung. Er stellte sich neben mich und rezitierte:
Warum denn in die Ferne schweifen,
wenn das Gute liegt so nah?
Lerne nur das Glück ergreifen,
denn das Glück ist immer da!
Dann verschwand er ebenso plötzlich wie er gekommen war und ließ mich alleine. Seltsam, dachte ich, dass Goethe sich im Zeller Wald herumtreibt und mir Glücksbotschafen überbringt. Woher wusste er, dass ich seine Worte gerade jetzt brauche? Sein Auftritt zeigte jedenfalls Wirkung: Er hat recht, dachte ich – das Glück ist immer da! Natürlich!
Ruhe. In mir. Um mich. Ich begann zu gehen und setzte einen Schritt vor den anderen. Nennt man das Vertrauen, was ich jetzt spürte? Dass mich meine Schritte dort hinleiten würden, wo es gut für mich ist? Der Duft der Bäume und Pflanzen durchströmte mich.
Ich setzte einen Schritt vor den anderen. Während des Gehens hörte ich plötzlich Musik:
Ich ging in die Richtung, aus der ich sie vernahm. Ich kam auf eine Lichtung. Am Rand der Lichtung, unter den Bäumen, hatte sich ein Orchester platziert und spielte. Davor saß Schostakowitsch am Klavier. Ich wunderte mich. Ich wunderte mich, dass ich Schostakowitsch erkannte. Kannte ich denn Schostakowitsch? Ich wunderte mich, dass Schostakowitsch, wie Goethe, in den Zeller Wald gekommen war, und noch dazu sein ganzes Orchester mitgebracht hatte. Ich wunderte mich und auch nicht: denn ich war bereit, Wunder geschehen zu lassen. Ich setzte mich ins Gras und hörte Schostakowitsch und seinen Musikern zu. Ein so unfassbar großer Raum tat sich in mir auf, noch viel größer als der Zeller Wald, dass ich mein Glück kaum fassen konnte. Das Glück ist immer da, in diesem Raum voller Wunder und Möglichkeiten, den ich mein Selbst nennen will. Ja, so will ich ihn nennen, diesen Raum!